Logistikwissen zum Durchstarten

Hochregallager, Industriehalle, Onlinehandel, Deutschland, Europa
Hochregallager, Industriehalle, Onlinehandel, Deutschland, Europa
Für die Automatisierung der Lagertechnik ist vor allem die geeignete IT notwendig.
© Jan Walter
Das Kernelement der Lagerautomatisierung
Von DVZ Redaktion

Logistik und Lagerhaltung gelten – mit einigen Ausnahmen – nicht als Mehrwertbringer in der Lieferkette. Daher sollen die Prozesse so schlank und effizient wie möglich organisiert sein. Warehouse-Management-System gelten dabei als die sinnvollsten Mittel – und dafür sprechen zehn gute Gründe.

  • Der digitale Lagerspiegel

Die Einführung eines Warehouse-Management-Systems (WMS) kann als erster Schritt zur Automatisierung eines manuell organisierten Lagers angesehen werden. Unter anderem werden die Stellplätze innerhalb der Lagerbereiche verwaltet und organisiert, was einen sofortigen Überblick über die Nutzung der Lagerkapazitäten bietet. So hat der Lagerbetreiber zum Beispiel immer im Blick, wie viele Kapazitäten noch frei sind und welche Bestellungen erfüllt werden können. Ist ein Mindestbestand definiert, können Nachschubbestellungen frühzeitig ausgelöst werden, um die Lieferfähigkeit zu erhalten. WMS können nicht nur Stückzahlen, sondern auch Mindesthaltbarkeitsdaten, Seriennummern und Chargen mitverwalten und dokumentieren, wodurch die Nachverfolgbarkeit gewährleistet ist.

  • Geordnetes Chaos – Automatisierte Lagerplatzverwaltung

In manuell organisierten Lagern ist es oft der Fall, dass einem Produkt ein fixer Stellplatz zugeordnet wird. In einem WMS-gesteuerten Lager hat das System die Hoheit über die Stellplätze. Waren werden chaotisch eingelagert, was die verfügbaren Lagerkapazitäten spürbar besser auslastet. Während des Auslagerprozesses wird der Mitarbeiter durch das System angeleitet, weshalb die Suchzeit nach der richtigen Lagereinheit deutlich reduziert wird.

  • Verbesserte Abläufe

Da dem WMS alle Lagerplätze und deren Belegung bekannt sind, kann es diese Informationen nutzen, um den für den „Pickwalk“ effizientesten Weg vorzuschlagen. Nicht nur die Wege des Kommissionierers werden kürzer, auch Staplerfahrten können entsprechend optimiert werden. Je nach präferierter Kommissioniertechnik können Kommissionierwägen oder spezielle Flurförderfahrzeuge für Sammelfahrten eingesetzt werden. Zuvor sequenziell durchgeführte Transporte werden überflüssig und die Transportmittel besser ausgelastet.

Die Vorteile der Automatisierung nur auf der Auslagerungsseite zu sehen, wäre an dieser Stelle zu kurz gedacht. Im WMS lassen sich Lagerstrategien sowohl für die Ein- als auch für die Auslagerung so wählen, dass der Transportaufwand im Lager reduziert wird. Zum Beispiel können Produkte, die oft zusammen ausgelagert werden, dicht beieinander eingelagert werden. Oder aber es werden gleiche Artikel beim Einsatz von automatischen Lagersystemen wie Regalbediengeräten auf mehrere Gassen gestreut. Das gewährleistet die Lieferfähigkeit, auch wenn eine Gasse mal gesperrt ist.

  • Permanente Inventur wird deutlich einfacher

Bei der permanenten Inventur werden die Bestände nicht zu einem bestimmten Stichtag, sondern während des laufenden Geschäftsbetriebs inventarisiert. Hierzu kann das WMS beispielsweise Nulldurchgänge nutzen, also eine Bestätigung, dass ein Lagerplatz leer geworden ist, oder Nahe-Null-Zählungen veranlassen, bei denen Lagereinheiten dann gezählt werden, wenn nur wenig Bestand darauf gebucht ist. Werden im Laufe eines Geschäftsjahres Lagereinheiten mit diesen Methoden nicht erfasst, wird dies vom System registriert und eine Zählung veranlasst.

  • Mehr Nachhaltigkeit – die ökologische Perspektive

Kommissionierliste, Packliste, Zählliste für die Inventur – eine manuelle Lagerorganisation verursacht viel bedrucktes Papier. Vor diesem Hintergrund bringt die Automatisierung auch ökologische Vorteile. Das System selbst kann zum Beispiel auf einem Server gehostet werden, der mit Ökostrom arbeitet. Somit wäre es sogar klimaneutral.

  • Entlastung des Personals

Auch auf die Mitarbeitenden wirkt sich die Automatisierung positiv aus, denn diese werden von anstrengenden, nicht produktiven Tätigkeiten entlastet (Laufwege im Lager, Suchzeiten nach dem richtigen Produkt) und können sich ganz auf ihre eigentlichen Tätigkeiten konzentrieren.

Technische Lösungen wie Pick-by-Voice oder Pick-by-Light ermöglichen es den Kommissionierern, mit freien Händen zu arbeiten. Zudem werden sie von administrativen Tätigkeiten befreit. Zudem müssen die einzelnen Mitarbeitenden nun nicht mehr wissen, auf welchem Stellplatz der gesuchte Artikel steht oder wie der Kommissionierweg für die Pickliste optimal gestaltet werden kann.

Dadurch wird es einfacher, neues Personal anzulernen. In Systemen mit automatisierter Lagertechnik muss der Mitarbeitende seinen Arbeitsplatz gar nicht verlassen – das System dient die Produkte an und weist die Kommissionierenden an, welche Tätigkeiten zu erfüllen sind. Das Fraunhofer IML beschäftigt sich mit einem eigenen Forschungsprojekt, dem Picking Lab, mit dieser Thematik. Dort werden verschiedene Kommissioniertechniken objektiv miteinander verglichen und wissenschaftlich untersucht.

Sogenannte Ressourcenplanungssysteme (RPS) beschäftigen sich mit dem Faktor Mensch im Lager. Hier werden Faktoren wie zum Beispiel die persönliche Qualifikation, Belastung und Ergonomie genutzt. Hierzu hat das Fraunhofer IML eine RPS-Studie veröffentlicht, die detaillierte Informationen liefert. Diese Studie steht kostenlos zum Download zur Verfügung.

  • Reduzierung der Fehlerquote

Eine durch ein WMS geführte Kommissionierung reduziert die Fehlerquote während des Pickvorgangs. Das System führt den Mitarbeitenden zum richtigen Produkt – oder bringt es beim Ware-zur-Person-Prinzip sogar zum Arbeitsplatz. Um die Fehlerquote weiter zu senken, beispielsweise bei werthaltigen Artikeln, kann ein Prüfscan implementiert werden, der das Produkt prüft und sogar die Seriennummer erfassen kann.

  • Monitoring der Lagertechnik

In welcher Gasse ist momentan ein Stapler tätig? Wann muss er aufgeladen werden? Und wann ist die nächste Wartung fällig? Und wie hoch ist die Leserate des Scanners am Arbeitsplatz? Das WMS behält die Lagertechnik dauerhaft im Auge. Dies mindert spontane Ausfälle und erhöht die Planungssicherheit, beispielsweise durch frühzeitig geplante Wartungstätigkeiten.

  • Packoptimierung – weniger Luft versenden

Es ist ein gut nachvollziehbares Anliegen aller Unternehmen, möglichst wenig Luft zu transportieren. Ein WMS kann auf Basis der hinterlegten Stammdaten eine Volumenberechnung durchführen und den für die Bestellung passenden Karton vorschlagen. Somit wird das versendete Volumen optimiert und es können mehr Sendungen pro Lieferfahrzeug transportiert werden.

  • Monetäre Ersparnis

Selbstverständlich bedeutet die Entscheidung zur Automatisierung zu Beginn eine Investition in die Software und, je nach Automatisierungsgrad, in die Automatisierungstechnik. Die Kombination aller aufgeführten Vorteilen führt jedoch dazu, dass sich die getätigten Investitionen in aller Regel in kurzer Zeit amortisieren. Neben ökologischen und sozialen Aspekten bringt die Automatisierung eines Standardlagers auch ökonomische Vorteile mit sich.

Dieser Gastbeitrag wurde von Maximilian Barlang verfasst. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund und arbeitet im „Team Warehouse Logistics“.

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