Logistikwissen zum Durchstarten

Miriam Kotte (links) und Janina Schönitz bilden bei der Deutschen Bahn eine Doppelspitze als Head of Digital Transformation
© DB AG/Max Lautenschläger
„Digitalisierung muss keine Ängste verursachen“
Von Amelie Bauer

Seit fast zwei Jahren bilden Miriam Kotte und Janina Schönitz eine Doppelspitze als Head of Digital Transformation bei der Deutschen Bahn. Im Interview mit der DVZ sprechen sie über die Aufgabenteilung und die großen Herausforderungen der Digitalisierung.

DVZ: Frau Kotte, Frau Schönitz, Sie bilden zusammen eine Doppelspitze als Head of Digital Transformation bei der Deutschen Bahn. Wie sind Sie an diesen Job gekommen?

Janina Schönitz: Digitalisierung gibt es natürlich schon sehr lange im Konzern, an vielen einzelnen Stellen und in vielen einzelnen Projekten. 2016 wurde dann die Entscheidung getroffen, auf Konzernebene den CDO-Bereich zu schaffen. Das hatte eine richtige Start-up-Atmosphäre. Vor zwei Jahren gab es schließlich eine Art Neuausrichtung. Damals wurden die ersten Schritte, die seit 2016 umgesetzt wurden, nochmal grundlegend überdacht. Im Zuge dessen wurde die Entscheidung getroffen, dass alle Themen, die mit dem digitalen Wandel zusammenhängen, gebündelt werden sollen. So wurde der Bereich Digitale Transformation geschaffen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie diese Stelle zu zweit bekommen haben? Ausgeschrieben war der Job ja nur für eine Person.

Miriam Kotte: Die Initiative kam von uns. Wir haben festgestellt, dass wir unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mitbringen, die sich gut ergänzen. Also haben wir entschieden, dass wir uns nicht gegeneinander auf die Stelle bewerben, sondern es zusammen machen. Damit konnten wir unseren künftigen Chef überzeugen.

Inwiefern ergänzen Sie sich denn konkret?

Schönitz: Wir sind beide mehr als zehn Jahre im Konzern und haben unterschiedliche Stationen durchlaufen. Ich bin bei der DB Cargo gestartet und habe daher auch den Güterverkehr mit im Blick. Später bin ich in die Konzernstrategie gewechselt. Auch vom Persönlichkeitsprofil sind wir unterschiedlich, auch wenn wir ähnliche Werte vertreten und uns einig sind, wie wir die Abteilung führen wollen. Miriam bringt gute Konzeptions- und Analysequalitäten mit, während meine Stärken in den Bereichen Strategie, Konzeption und Kommunikation liegen. Zudem bringt jede auch ihr eigenes Netzwerk mit. Dieses Modell basiert für uns auf drei Säulen: Zum einen geben wir eine klare Orientierung. Das Ganze basiert dabei auf großem gegenseitigem Vertrauen. Wir brauchen aber auch gute Strukturen, damit es zu zweit gut funktioniert.

Kotte: Zum Thema Orientierung: Wir haben eine eigene Persona geschaffen. Aus Miriam und Janina wurde MiJa. In Protokollen steht dann nicht „Das übernimmt Miriam oder Janina“, sondern „Das übernimmt MiJa“. Wir haben auch eine gemeinsame Mailadresse.

Schönitz: Natürlich ist hier viel Abstimmung und Organisation nötig. Wir arbeiten mit geteilten Dokumenten, mit geteilten Notizen. Zu jedem Termin werden die wichtigsten Informationen zusammengefasst, damit die jeweils andere darauf zugreifen kann. Einmal die Woche haben wir einen 90-minütigen Termin, wo wir über die großen Themen sprechen und gemeinsam konkrete Entscheidungen treffen. Die Zusammenarbeit ist sehr eng, wir tauschen uns häufig virtuell oder noch lieber persönlich aus. Das kann auch mal nach Feierabend mit einem Glas Weißwein sein.

Sie sind beide in Teilzeit beschäftigt. Wie sieht die Aufteilung in der Praxis aus?

Schönitz: Wir übernehmen beide jeweils 60 Prozent. Die Rolle der Leitung umfasst also insgesamt 120 Prozent. So wird es bei uns im Konzern auch an anderen Stellen gelebt. Damit wird bei der Deutschen Bahn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder anderen Berufungen und Interessen gefördert. Ich nutze die verbleibende Zeit momentan für eine Weiterbildung, während bei Miriam mehr Zeit für Familie und ihr Hobby, das Reiten bleibt.

Diese Konstellation bringt viel Organisationsaufwand mit sich. Würden Sie eine solche Doppelspitze dennoch auch für andere Stellen, insbesondere in der Logistik empfehlen?

Kotte: Aus meiner Sicht überwiegen eindeutig die Vorteile. Die unterschiedlichen Perspektiven eröffnen vor allem in komplexen Themenfeldern und damit insbesondere in der Logistik große Chancen. Denn gerade in der Logistik werden die Aufgabenstellungen immer komplizierter. Es ist enorm von Vorteil, wenn es dann in führender Position zwei Personen gibt, die verschiedene Herangehensweisen besitzen. So werden meiner Meinung nach auch bessere Ergebnisse erzielt.

Hinzu kommt, dass es für das Unternehmen ein geringes Ausfallrisiko gibt. Sollte doch einmal eine von uns krank sein, kann die andere einspringen. Natürlich bedarf es einiges an Organisation und Abstimmung. Das ist für uns seit knapp zwei Jahren ein kontinuierlicher Prozess, wir entwickeln uns weiter und werden effizienter.

Wie genau läuft die Abstimmung ab?

Schönitz: Wir nutzen dafür viele digitale Tools. Viel Austausch findet beispielsweise über kurze Chat-Nachrichten für Status-Updates statt. Abends gibt es dann auch mal eine Sprachnachricht. Online gibt es ja mittlerweile sehr viele Möglichkeiten, wie das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit läuft das jetzt schon seit langem sehr, sehr gut.

Gab es dennoch in der Zusammenarbeit Momente, wo diese Konstellation eher hinderlich war und Sie dachten, hier wäre es einfacher, wenn nur eine Person verantwortlich wäre?

Kotte: Insbesondere bei Terminen, wo wir zu zweit aufgetreten sind, mussten wir dazulernen. Wir haben gemerkt, dass wir unsere doppelte Präsenz stärker einsetzen können. Auf der anderen Seite darf es etwa bei einem gemeinsamen Mitarbeitergespräch nicht zu einem unfairen Ungleichgewicht kommen.

Mit unserer doppelten Power müssen wir uns ganz genau überlegen, wo es Sinn macht, gemeinsam aufzutreten, und wo es ausreicht, wenn eine von uns dabei ist. Auf der anderen Seite zeigen wir natürlich, dass wir beide verfügbar sind, was schnell dazu führen kann, dass wir auch doppelt so viele To-Do‘s bekommen. Das ist auch nicht zielführend, denn wir haben eben nicht doppelt so viel Zeit.

Was sind denn Ihre aktuellen To-Do´s?

Schönitz: Wir arbeiten beispielsweise an der Optimierung von Lieferketten mit Hilfe digitaler Lösungen. Ganz konkret beschäftigen wir uns zum Beispiel gerade mit dem Einsatz von Scanner-Handschuhen bei der Kommissionierung von Waren in der Kontraktlogistik. Wir versuchen, Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Kotte: Gerade in der Logistik sehen wir durch den Einsatz von disruptiven Technologien wie digitalen Plattformen, künstlicher Intelligenz oder Robotics, dass sich sehr viel in kurzer Zeit verändert. Digitalisierung spielt bei der Deutschen Bahn überall eine große Rolle, und so ist es auch bei allen anderen Logistikern. Bei all diesen Veränderungen müssen die Mitarbeitenden mitgenommen werden.

Mit welchen konkreten Maßnahmen lässt sich Ihrer Meinung nach die Digitalisierung in der Logistik effektiv vorantreiben?

Kotte: Eine wichtige Voraussetzung, um die Digitalisierung in der Logistik und im Supply Chain Management effektiv weiter voranzutreiben, ist es, einheitliche Standards zu schaffen. Auf der Basis von Open Source logistische Prozesse durch De-facto-Standards zu vereinheitlichen, ist eine konkrete Maßnahme dazu in der Branche, an der wir uns beteiligen.

Bedeutet „Menschen mitnehmen“ dann häufig auch „Ängste nehmen“? Digitalisierung wird ja auch in der Logistik oft mit dem Arbeitsplatzverlust gleichgesetzt.

Schönitz: Das Ganze beinhaltet mehrere Aspekte. Erstens geht es um Information. Wir sprechen über die Chancen der Digitalisierung und schaffen ein Bewusstsein dafür, wie wichtig etwa Daten für den Konzern sind. Bei konkreten Veränderungen sind wir dann begleitend mit dabei. Aber natürlich geht es bei der Implementierung neuer Technologien auch darum, Ängste abzubauen. Wenn wir künstliche Intelligenz in der Disposition einsetzen, fragen die Mitarbeiter entsprechend, ob sie langfristig noch gebraucht werden. Damit müssen wir dann umgehen.

Teile den Beitrag

ANZEIGEN