Logistikwissen zum Durchstarten

Julia Beitler ist aus Überzeugung Lkw-Fahrerin.
© Team Julia Beitler
Julia will Frauen inspirieren
Von Tobias Bosse

Wenn es nach den Plänen von Julia Beitler gegangen wäre, würde die 29-Jährige heute ihren Bachelor-Abschluss in Trainingswissenschaften dazu nutzen, um das Land fitter und gesünder zu machen. Stattdessen fährt sie Event-WCs von Veranstaltung zu Veranstaltung, lässt sich dabei von der TV-Show „Trucker Babes“ filmisch begleiten und ist darüber hinaus zu einer erfolgreichen Influencerin avanciert.  „Klingt alles schon ein bisschen verrückt, oder?“, sagt Beitler selbst schmunzelnd über ihren Werdegang. Nichtsdestotrotz ist sie sehr stolz und glücklich, diesen Weg sechs Jahre zuvor eingeschlagen zu haben. Aber wie kam sie dazu?

Anfänge im JVA-Bus

Schuld an allem sei ihr Verlobter Sebastian, sagt die Mmutter. Früher sei er selbstständig als Veranstalter tätig gewesen, wobei ihm aufgefallen ist, dass die Toilettensituation bei jedem Event ein schlechter Scherz war und eigentlich niemand dort gerne sein Geschäft verrichtete. Insbesondere die Frauen hätten sich immer wieder über die schlechten Zustände beschwert. „Daraufhin kam Sebastian die Idee, einen ausrangierten Bus von einer Justizvollzugsanstalt zu kaufen, diesen in einen mobilen Toilettenwagen umzubauen und so ein neues Angebot für Sanitäranalagen auf Events zu schaffen.“

Die Nachfrage sei direkt groß und die Rückmeldung überaus positiv gewesen, berichtet Beitler von den geschäftlichen Anfängen. So dauerte es nicht lange, bis der Fuhrpark erweitert wurde. Da sich der Umbau des Busses als äußerst aufwendig herausstellte und auch der Platz zu beschränkt gewesen sei, sahen sich die beiden nach Lkw um, die sich für die Zwecke eigneten. Nachdem drei Fahrzeuge gefunden und umgebaut waren, standen die Jungunternehmer allerdings schon vor der nächsten Herausforderung; Wie kommen die mobilen Event-WCs von einer Veranstaltung zu anderen?

Wille war größer als die Angst

„Wir waren anfangs komplett abhängig von Fahrern, weil wir beide keinen Lkw-Führerschein hatten. Darauf hatten wir schnell keine Lust mehr und haben uns daher entschlossen, in uns zu investieren, indem wir selbst die Fahrerlaubnis erwerben.“  Julia Beitler war damals 24 Jahre jung und im siebten Monat schwanger mit ihrem ersten Kind. Sie gibt gerne zu, durchaus Respekt vor den tonnenschweren Zugmaschinen gehabt zu haben: „Bei der ersten praktischen Prüfung bin ich noch durchgefallen. Anschließend habe ich die Fahrschule gewechselt und war umso motivierter, die Prüfung zu bestehen. Der Wille war auf jeden Fall größer als die Angst“, erinnert sich die Lkw-Fahrerin. Offensichtlich genau die richtige Herangehensweise, denn im zweiten Anlauf bestand sie.

Seither fährt sie die umgebauten Lkw quer durchs Land. Hin und wieder sitzt sie auch nicht alleine in der Fahrerkabine. „Bei einer meiner ersten Touren hatte ich meine kleine Tochter mit dabei, da war sie gerade drei Monate alt“, berichtet Beitler. Und weil diese Konstella­tion definitiv nicht gewöhnlich ist, sei ihrem Verlobten bei einer Folge „Trucker Babes“ die Idee gekommen, dort einfach mal anzufragen, ob nicht Interesse bestehe, seiner Zukünftigen bei der Arbeit über die Schulter zu gucken beziehungsweise zu filmen. „Das ging alles super schnell. Der Anruf vom Sender kam direkt am nächsten Tag und nur wenige Tage später haben wir bereits gedreht.“

Inzwischen ist Beitler seit mehr als zwei Jahren fester Bestandteil der populären TV-Sendung. Dass dieses Format nicht nur auf Begeisterung stößt – vor allem unter Frauen – ist ihr durchaus bewusst. Allerdings hat sie nicht das Gefühl, objektiviert oder auf ihre Geschlechtsmerkmale reduziert zu werden.

„Das schönste Kompliment ist…“

Sie will aber auch nicht verhehlen, dass das plötzliche Leben im Scheinwerferlicht auch negative Seiten hat. Wenn es beispielsweise um Kommentare in den sozialen Netzwerken gehe, habe sie schon einige Zeit gebraucht, um sich an die Art und Weise der Kritik zu gewöhnen: „Das war schon heftig, wie respektlos sich viele Nutzer dort äußerten, obwohl sie mich überhaupt nicht kannten. Das hat mich damals schon getroffen. Heute bin ich abgehärtet.“ Einen Grund, um ihre medialen Tätigkeiten deshalb zu beenden, sieht Beitler darin nicht. Vielmehr will sie ihren Beitrag dazu leisten, die klassischen Rollenbilder zu hinterfragen und wenn möglich aufzubrechen.

Schließlich sei es für einige Berufskollegen nach wie vor ein Tabubruch, wenn eine Frau am Steuer eines Lkw sitzt. „Das schönste Kompliment ist, wenn Frauen mir schrei­ben, dass ich sie inspiriert habe oder sie den Mut gefunden haben, auch einen Lkw-Führerschein zu machen, weil sie mich im Fernsehen gesehen haben.“

Sie möchte allen Frauen daher mitgeben, dass es keine Schande ist, sich beispielsweise beim Be- und Entladen von männlichen Kollegen unter die Arme greifen zu lassen, wenn man etwas aus Kraft- oder Größengründen nicht hinbekommt: „Was soll schlimm daran sein, sich helfen zu lassen? Männer werden Frauen physisch immer überlegen sein. Dafür können wir andere Sachen besser. Deshalb rufe ich allen Frauen da draußen zu: Traut euch, ihr schafft das!“

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