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Pro Robert Koopman beim Logistiktag 2022 der Kühne-Stiftung
Pro Robert Koopman beim Logistiktag 2022 der Kühne-Stiftung
Prof. Robert Koopman ist Chefökonom der Welthandelsorganisation WTO. Beim Logistiktag an der Kühne Logistics University warb er für die Vorzüge der internationalen Arbeitsteilung.
© KLU/Jan Konitzki
Klimawandel: Grünes Denken in der Logistik ist gefordert
Von DVZ Redaktion

Lkw, Schiffe, Flugzeuge stoßen Abgase aus und tragen damit zum Klimawandel bei, so ein verbreitetes und stark vereinfachtes Narrativ. Falsch ist es nicht, die ganze Wahrheit ist es aber auch nicht. So lautete die These einer Session zu den Auswirkungen des internationalen Handels auf den Klimawandel am Dienstag beim Logistiktag der Kühne-Stiftung in Hamburg.

Tatsächlich könnten Logistik und internationaler Warenaustausch nämlich dazu beitragen, die Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette zu minimieren, wenn dabei konsequent auf eine „grüne Beschaffung“ gesetzt werde.

Transportsektor verursacht erhebliche CO2-Emissionen

Der Transportsektor verursache etwa ein Zehntel der globalen Emissionen, sagte Prof. Ralph Ossa vom Kühne Center for Sustainable Trade and Logistics an der Universität Zürich. Und der globale Handel erhöhe die ohnehin anfallenden Emissionen in der Produktion und weiteren Bereichen noch einmal um etwa 5 Prozent, rechnete Prof. Robert Koopman vor, der Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO).

Heißt im Umkehrschluss, dass der überwiegende Teil der Gesamtemissionen außerhalb der Logistik anfällt. Die Experten plädieren daher dafür, den Sektor nicht nur an seinen Emissionen zu messen, sondern auch an seiner Fähigkeit, die Gesamtbilanz zu verbessern.

„In diesem Sinne können Transportemissionen sogar dazu beitragen, die Gesamtemissionen zu senken“, unterstrich Ossa. Dies sei immer dann der Fall, wenn Waren so beschafft würden, dass im Zuge dessen die in der Regel deutlich höheren Emissionen in der Produktion minimiert würden.

Das „grüne Welthandelssystem“ der Zukunft

Um dies zu erreichen, müsse das Welthandelssystem allerdings zumindest in Teilen umgebaut werden. Derzeit sei es beispielsweise noch so, dass die Zölle für besonders nachhaltige Güter häufig noch höher seien als für weniger nachhaltige, sagte Koopman. Das sollte sich ändern, betonte er.

Zudem mache sich die WTO dafür stark, Handelsbarrieren beispielsweise durch eine stärkere Digitalisierung abzubauen. Denn je effizienter der internationale Güterhandel sei, desto grüner sei er schlussendlich auch.

Steuerung durch Besteuerung

Der Handelsexperte geht ferner davon aus, dass sich die Handelsströme durch Steuern auf Emissionen  (Carbon Taxes) ändern, da sich auch die komparativen Vorteile einzelner Länder in der Produktion im Zuge dessen veränderten. Die Globalisierung und das damit einhergehende Konzept der weltweiten Arbeitsteilung werde dies aber nicht aus den Angeln heben.

Auf die Rolle Chinas bei der Bekämpfung des Klimawandels ging Jacob Gunter vom Mercator Institute für China Studies (MERICS) ein. Grundsätzlich herrsche dort zwar noch der Grundsatz vor, dass Wachstum vor Umweltschutz komme („growth first, green later“). Das Ziel der Klimaneutralität sei auf der Agenda der kommunistischen Partei aber nach oben gerutscht, da der Klimawandel im Reich der Mitte in Form von Naturkatastrophen schon deutlich spürbar sei. Das Regime habe das Ziel ausgegeben, ausgehend von einem erwarteten Peak bei den Emissionen in 2030 bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen.

Unternehmen müssen einen ganzen Werkzeugkasten nutzen

Wie mit dem Klimawandel auf der Unternehmensebene in der Logistik umgegangen wird und welche nachhaltigen Lösungsansätze es gibt, zeigten Philipp Anhalt von DPD und Tobias Wollermann von der Otto Group. Anhalt, der bei DPD als Chief Strategy Officer die Bereiche Strategie, Nachhaltigkeit und M&A verantwortet, sagte, dass Paketdienstleister wie DPD „nicht verdächtig sind, nachhaltig zu sein“. Dabei verwies er auf die enormen ökologischen Belastungen, die durch den weiter boomenden Onlinehandel entstehen.

Das Versandunternehmen arbeitet jedoch in unterschiedlichsten Bereichen daran, nachhaltiger zu werden: Bessere Citylogistik, Elektromobilität, ein verändertes Baugesetz, der CO2-Preis, alternative Zustellkonzepte oder auch die Incentivierung von Kunden und Mitarbeitern für nachhaltiges Verhalten sind für Anhalt wichtige Stellschrauben.

Kompensation zählt

Eine wichtige Rolle spielen für DPD auch Kompensationsprojekte. Bereits seit 2012 bietet der Dienstleister den klimaneutralen Paketversand an. Während die direkten CO2-Emissionen des Unternehmens im Vergleich zum Jahr 2013 pro Paket um 14 Prozent gesenkt wurden, werden die restlichen Emissionen über Klimaschutzprojekte in Afrika und Südamerika ausgeglichen. 2019 war DPD in Summe für gut 1 Million Tonnen CO2 verantwortlich.

Exot als Speaker

Tobias Wollermann ist ein Exot in der Logistikwelt. Der Group Vice President Corporate Responsibility bei Otto studierte Musik und Physik. Seit 2008 lehrt er an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg in allen Studiengängen Kultur- und Medienmanagement. Von 2008 bis 2020 war Wollermann als Geschäftsführer für den Aufbau des von der Otto Group und des Ensembles Salut Salon initiierten Projektes The Young ClassX verantwortlich. Beim Logistiktag der Kühne-Stiftung sprach er nun über die Orchestrierung von Nachhaltigkeit im Otto-Konzern.

Bereits seit 1986 ist Umweltschutz als Unternehmensziel bei Otto verankert. Die erste konkrete Klimastrategie wurde 2007 vorgestellt. Beim Thema Nachhaltigkeit muss laut Wollermann vor allem Kollaboration im gesamten Unternehmen gelebt werden. „Vernetzung und Zusammenarbeit sind enorm wichtig“, meint er. Nur wenn Nachhaltigkeit in allen Abteilungen etabliert sei, könne die Strategie erfolgreich sein, unterstrich er.

Dieser Artikel wurde von Sebastian Reimann und Frederic Witt verfasst.

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