Logistikwissen zum Durchstarten

Die Havarie der "Ever Given" führte zu einen enormen Schiffsstau.
Die Havarie der "Ever Given" führte zu einen enormen Schiffsstau.
Die „Ever Given“ war im März 2021 im Suezkanal auf Grund gelaufen. Sechs Tage lang blockierte der 400 Meter lange Frachter die wichtige Wasserstraße zwischen Asien und Europa.
© dpa/AA/Gokturk-1 Observation Satellite
Lieferkette: Visibility-Plattformen boomen
Von DVZ Redaktion

Bei global gestörten Lieferketten sind die Handlungsmöglichkeiten oft begrenzt. Auch mit viel Geld und Know-how ist es vielen Unternehmen zuletzt kaum noch gelungen, die Auswirkungen gering zu halten. Die Anbieter von Echtzeitinformationen wollen daher mit mehr Transparenz in der Lieferkette Abhilfe schaffen. Die Lösungen sollen dabei helfen, rechtzeitig reagieren zu können, so zum Beispiel bei Versandverzögerungen, Änderungen der voraussichtlichen Ankunftszeit, Personalmangel oder bei Hafenschließungen wie zuletzt in China oder der Suezkanal-Blockade im März 2021.

Die größten Player

Zu den derzeit größten Playern auf dem Markt gehören die beiden US-amerikanischen Unternehmen Project44 und Fourkites sowie ihr französischer Wettbewerber Shippeo. Project44 bietet eine cloudbasierte Plattform für Verlader und Logistikdienstleister, die Transportprozesse vernetzt, automatisiert und transparent macht. Angebunden ist inzwischen ein Netz von rund 143.000 Spediteuren. Von 2,7 Millionen Lkw werden Daten in die Plattform eingespeist. Pro Jahr werden circa 1 Milliarde Sendungen multimodal in 170 Ländern verfolgt. „Wir konnten in den vergangenen zwei Jahren ein großes finanzielles, personelles und wirtschaftliches Wachstum verzeichnen“, berichtet Michael Wallraven, der das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz leitet. Inzwischen erwirtschaftet Project44 nach eigenen Angaben etwa 100 Millionen US-Dollar an jährlich wiederkehrendem Umsatz (Annual Recurring Revenue; ARR). Diese regelmäßigen Einkünfte sind für Cloud-Softwarefirmen eine wesentliche Kenngröße. Die Bruttomarge betrage 70 Prozent. Mehr als 1.000 Beschäftigte arbeiten in weltweit 17 Niederlassungen.

Im Vorjahr machte Project44 auch durch Übernahmen von sich reden. So wurde der Letzte-Meile-Spezialist Convey geschluckt – für 255 Millionen Dollar. Zuvor hatte das Unternehmen bereits die Softwarefirma Clearmetal und den Seefrachtspezialisten Ocean Insights übernommen.

Zu den Kunden zählen um die 1.000 Unternehmen, darunter zum Beispiel Amazon, Coop, Danone, Fedex, Lenovo, Mondelez, Nestlé und Unilever. In Deutschland seien neue Partnerschaften mit Beiersdorf, Haribo, Goodyear und Kühne + Nagel geschlossen worden.

Der Erfolg lockt Investoren.

Im zweiten Quartal 2021 hatte Project44 seine Serie-E-Investition in Höhe von 202 Millionen Dollar abgeschlossen. Gerade erst hat das Unternehmen eine Investition in Höhe von 420 Millionen Dollar erhalten. Den Einhorn-Status hatte Project44 bereits vor einem Jahr erlangt.

Eine branchenübergreifende Herausforderung ist es laut Wallraven, das Bewusstsein für den generellen Mehrwert der Technik zu verdeutlichen. Hier sieht er noch viel Potenzial, um letztlich eine flächendeckende Transparenz zu schaffen. Chancen gebe es vor allem in der Landlogistik. Passend dazu hat das Unternehmen gerade eine neue Technik angekündigt, „die eine umfassende Visibilität im gesamten europäischen Schienenverkehr ermöglicht“, sagt Wallraven.

Fourkites expandiert in Europa

Der Rivale Fourkites mit Europa-Sitz in Amsterdam verfolgt in 176 Ländern nach eigenen Angaben derzeit multimodal 2,5 Millionen Sendungen pro Tag. In den vergangenen zwei Jahren seien der Bedarf und die Akzeptanz der Technik gestiegen, wodurch sich auch das Wachstum des Unternehmens beschleunigt habe. „2021 verzeichneten wir ein Wachstum von 105 Prozent bei den Sendungen insgesamt“, berichtet Mathew Elenjickal, Gründer und CEO von Fourkites. Die Zahl der europäischen Neukunden habe sich verdoppelt, das Carrier-Netz sei um 35 Prozent gewachsen. Außerdem wurde die Transparenz auf 2.800 Häfen und 2,5 Millionen Anlagen weltweit ausgedehnt.

Starkes Wachstum

Schon vor der Pandemie sei das Geschäft gewachsen. „Covid-19, Störungen und Kapazitätsengpässe haben jedoch die Nachfrage in die Höhe schnellen lassen“, sagt Elenjickal. Vor der Pandemie habe man ein Umsatzwachstum von 40 Prozent verzeichnet; seither habe es sich um 50 bis 70 Prozent erhöht. Ein Meilenstein sei die Serie-D-Finanzierung in Höhe von 100 Millionen Dollar im Frühjahr 2021 gewesen. Damit hatte sich das insgesamt aufgebrachte Kapital auf etwa 200 Millionen Dollar erhöht. Vergangenen Monat erst verkündete Fourkites zudem die Übernahme von Nic-Place. Das Unternehmen aus dem bayerischen Kempten bietet Visibility-Lösungen, die speziell für Transportunternehmen, Spediteure und Logistikdienstleister entwickelt wurden.

Die Nachfrage komme aus allen wichtigen Branchen, speziell in Europa auch aus der Autoindustrie und dem Bausektor, sagt Elenjickal. Es bleibe ein enormes Wachstumspotenzial, da es nach wie vor noch viele blinde Flecken entlang der Lieferkette gebe.

Geschrieben von Claudia Behrend

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