Logistikwissen zum Durchstarten

Lothar Preis, Co-Gründer von Xpack Green Logistics
Lothar Preis, Co-Gründer von Xpack Green Logistics
Lothar Preis: „Die CO2-Emissionen der Verpackung können um 80 Prozent sinken“
© Xpack
„Muss Einwegkartonage wirklich sein?“
Von Sven Bennühr

Der Versandhandel verbraucht jährlich Abermillionen Einwegverpackungen. Doch ist das die sinnvollste Lösung? Im Blue-Rocket-Interview spricht Lothar Preis, Chef des Verpackungs-Start-ups Xpack Green Logistics, über Nachhaltigkeit, Herausforderungen und was er sich für die Zukunft wünscht.

DVZ: Die Mehrwegidee ist nicht gerade neu, wurde aber bisher im Versandhandel nicht umgesetzt. Woran liegt das?

Lothar Preis: Der Grund, warum Mehrweg häufig scheitert, ist die fehlende Rückverfolgbarkeit der Verpackungen und der Aufwand für das notwendige Rücknahmesystem. Wird die Mehrwegverpackung nicht retourniert, ist sie teurer als Einweg. Die Lösung für diese Herausforderung kann nur eine wiederverwendbare Verpackung in Verbindung mit einem Anreizsystem und einem funktionierenden Rückholprozess sein – eben das komplette Mehrwegsystem. Der Vorteil heute: das Internet. Bei uns werden zum Beispiel alle Prozesse durch unsere web- und cloudbasierte IT-Plattform – das Xpack Management System (XMS) – unterstützt.

Wie wurden Sie zu dem Konzept, das hinter Xpack steht, inspiriert?

Ich war lange Zeit bei einem großen Paketdienstleister tätig und dachte damals: Muss diese Einwegkartonage wirklich sein? Intern war schnell klar, dass ein offenes Mehrwegsystem für einen Paketdienstleister nicht tragbar ist und keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielt – unter anderem wegen Schwund und aufwändiger Rückholung. 2013 wechselte ich als Geschäftsführer zu Louis Opländer, einem Gebäudetechnikunternehmen von Jan Opländer – mit ihm studierte ich 1983 in Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen. Er stellte mir bei einem Skiurlaub seinen langjährigen Freund Ralph Kesting vor, Geschäftsführer eines Unternehmens für Transportbehälter in der Automobilindustrie. Wir tauschten Ideen zu Mehrwegsystemen aus und bastelten an Lösungen. Im Januar 2018 brachten wir dann zu dritt den ersten spezialisierten Xpack für Reifen und Kompletträder auf den Markt: TyrePack. Jetzt peilen wir den breiteren Markt an, um Müll zu vermeiden und CO2-Emissionen zu reduzieren.

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Lothar Preis, Chef von Xpack Green Logistics im Blue-Rocket-Zwischenstopp

Welchen konkreten Nutzen bringt es für ein Unternehmen, von Einwegverpackungen aus Altpapier oder -pappe auf ein Mehrwegsystem umzusteigen? Wie ist es um die Umweltwirkung bestellt?

Durch Mehrweg sind Unternehmen resilient gegen die Folgen des Klimawandels. Der Rohstoffverknappung treten wir mit der vielfachen Wiederverwendung der Verpackungen und der abschließenden Rückführung in den Materialkreislauf entgegen. Die CO2-Emissionen der Verpackung können um 80 Prozent sinken – das belegt eine Fraunhofer-Studie. Auch das Verpackungsgesetz zwingt, auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen, indem es Unternehmen zunehmend zur Lizensierung ihrer Verpackungsmaterialien verpflichtet. Weitere Vorteile unseres Mehrwegsystems: die Senkung der Prozess- sowie Materialkosten für Verpackung und Hilfsmittel, Volumenreduktion im Nutztransport und smarte IoT-Optionen (Internet of things).

Wiederverwendbare Versandverpackungen müssen besonders robust sein. Welche Materialien setzt Xpack ein, woher stammen die und wie haltbar ist das Ganze?

Unsere Verpackungstaschen bestehen derzeit überwiegend aus Polypropylen-Rezyklat und werden in Europa gefertigt. Ihre technische Lebensdauer beläuft sich auf etwa 30 Zyklen und ist damit höher als wirtschaftlich notwendig. Wir entwickeln unsere Produkte stetig weiter: Sollte sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass andere Materialien umweltschonender sind, passen wir das entsprechend an.

Verpackungsmüll im Versandhandel kann durch den Einsatz von Mehrweg-Lösungen wie einer stabilen Versandtasche (rechts) vermieden werden.

Quelle und Foto: Xpack

Um ein Mehrwegsystem in Schwung zu bringen, muss man die Endkunden motivieren, mitzumachen. Welche Anreize muss man setzen?

So ein Anreizsystem muss kundenspezifisch definiert werden. Dabei ist es aber eigentlich unerheblich, ob es sich um eine Schutzgebühr, ein Pfand oder einen Gutschein handelt – Rückverfolgung und Rückholung müssen gewährleistet sein. Und das funktioniert: Die Rückgabequote unserer Mehrwegverpackungen liegt bei über 96 Prozent.

Wie wird die Sauberkeit der Umverpackung gewährleistet?

Auch der Reinigungsprozess wird gemeinsam mit den Kunden definiert – der ist natürlich abhängig von den zu transportierenden Produkten. Entweder werden die Xpack direkt zurück zum versendenden Unternehmen geschickt, dort gesäubert und für den Versand aufbereitet. Oder wir kümmern uns im Depot in Dortmund um die Reinigung und Aufbereitung und stellen sie abschließend dem Unternehmen wieder zur Verfügung.

Zweiter Knackpunkt eines nachhaltigen Mehrwegverpackungssystems ist, dass es sich um einen wirklich geschlossenen Kreislauf handelt. Wie vermeiden Sie den Schwund?

Wir gehen das Schwund-Problem offensiv an: Wir wissen jederzeit, wo sich die Verpackungen befinden und sichern die Rückgabe durch unseren Customer Service ab. Sollte es dennoch einmal zum Verpackungsverlust kommen, muss der Nutzer im Normalfall eine Schutzgebühr zahlen. Ich glaube aber, dass das die Ausnahme bleiben wird: Das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und daher ist die Rückgabebereitschaft grundsätzlich hoch.

Interessant ist der Ansatz, die Versandverpackungen smart machen zu können. Wie muss man sich das vorstellen?

Wir können beispielsweise bei Bedarf ein Sensor-Data-Logging integrieren, sodass sich Parameter wie Temperatur, Feuchte oder Erschütterung messen lassen. Und natürlich gehört ein sicheres Tracking & Tracing auf Verpackungsebene dazu.

Ein Asset-based Geschäft aufzubauen ist ungleich schwerer als die Etablierung einer rein digitalen Lösung. Wie lässt sich so etwas finanzieren?  

Kurzfristig finanzieren wir den Mehrwegpool für die gemeinsame Erprobung mit unseren Kunden vor, danach operieren wir mit Vorauszahlungen, um den Kapitalbedarf niedrig zu halten. Langfristig schwebt uns eine Lösung ähnlich derjenigen für Mehrwegpfandflaschen vor.

Welche konkrete Geschäftsidee steckt hinter dem Konzept? Wie generiert Xpack Umsatz?

Standardmäßig vermieten wir die Xpacks, da es eben nicht nur um die Mehrwegverpackung geht, sondern um das komplette System inklusive IT- und Customer-Support. Daher rechnen wir nach dem Pay-per-Use-Modell ab.

Wo sehen Sie das Unternehmen in der Zukunft?Unser Anspruch ist es, als führende Marke für Mehrwegverpackungen im Onlinehandel den Standard zu setzen: Was der Stahlcontainer für die Schifffahrt, was die Mehrwegpalette für den Stückgutverkehr ist – das soll Xpack für den Paketdienst werden.

Zur Person

Lothar Preis (59) ist Mitgründer und Geschäftsführer der Xpack Green Logistics GmbH & Co. KG. Zu den wichtigen Stationen seiner beruflichen Entwicklung gehören mehrjährige Tätigkeit als Berater in der Entwicklungszusammenarbeit, acht Jahre in leitender Position bei einem führenden Paketdienstleister in Deutschland und vier Jahre als Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen der Umwelt- und Gebäudetechnik. Auf seinem gesamten Karriereweg zieht sich als roter Faden ein starker IT- und Prozessfokus. Sein Anspruch: Das Richtige richtig tun.

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