Das Logistikteam der TH Köln ist kurz vor Weihnachten für herausragende Lehrangebote auf dem Gebiet „Künstliche Intelligenz in der Logistik“ mit dem Hochschulpreis Güterverkehr und Logistik ausgezeichnet worden. Prof. Stephan Freichel verrät, wo künstliche Intelligenz (KI) schon heute Aufgaben übernimmt und welche technischen Skills die Führungskräfte von morgen brauchen.
DVZ: Das Oberthema des diesjährigen Wettbewerbs lautete KI in der Logistik? In welchen Bereichen übernimmt die KI schon heute Aufgaben?
Prof. Stephan Freichel: Wir sehen KI zum Beispiel beim autonomen Fahren, der Planung und Steuerung des inner- und zwischenbetrieblichen Transports oder beim besseren Forecasting der Nachfrage. Weitere Anwendungen finden sich in der Netzwerkplanung oder in der Vertriebs- und Auftragsabwicklung. Dies beginnt bei Bestellerfassungen und geht bis zur Rechnungsstellung. Service-Assistenten und Bots dienen dazu, Vorgänge zu antizipieren oder frühzeitig zu validieren. So können zum Beispiel Rechnungen nach dem Scannen der Eingangspost erkannt, erfasst und automatisch nach Zahlungsziel terminiert und durch Assistenzsysteme bearbeitet werden.
Gerade Bots wird ja viel zugetraut. Wo findet man sie überall?
Sogenannte Chatbots setzt man bereits im Vertrieb im schriftlichen Dialog oder im Call Center ein. In den Operations werden mit Hilfe von maschinellem Lernen Sensordaten der Maschinen dazu verwendet, frühzeitig Verschleiß oder ähnliche Probleme anzuzeigen, bevor es zu Stillstand kommt. Dies ist die sogenannte Predictive Maintenance. Predictive Quality Management wiederum nutzt maschinelles Lernen, um an Checkpunkten der Supply Chain mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gute von schlechten Produkten oder Gütereinheiten zu unterscheiden. Kameras als Sensoren spielen dabei eine zunehmend wichtigere Rolle.
Werden bestimmte Aufgaben oder auch ganze Marktteilnehmer in der Logistik künftig durch KI überflüssig? Es gibt ja beispielsweise eine lebhafte Diskussion darüber, ob es den Spediteur künftig überhaupt noch braucht.
Kompletter Untergang des Spediteurs: nein. Änderung des Aufgabenfeldes des Spediteurs und anderer Logistikdienstleister: ja. Der Einsatz intelligenter Verfahren und Tools für die Kernaufgaben hält auch bei den „Architekten der Logistik“ Einzug. KI wird an vielen Stellen die Arbeit und Entscheidungen verbessern, löst diese jedoch auch teilweise ab, wenn man zum Beispiel an die klassische Beschaffung und Disposition von Transportkapazitäten denkt. Neue Intermediäre wie zum Beispiel Dispositionsplattformen reichern das „Spielfeld“ weiter an. Durch KI werden wir eine höhere Transparenz der Logistikprozesse bekommen, damit Risiken rascher begegnen und bessere Entscheidungen treffen können.
Es hat den Anschein, als beurteilten Sie KI in der Logistik grundsätzlich positiv.
Zumindest lassen sich durch die Optimierung der Instrumente sowie das Zusammenspiel von Systemen zur Lagerverwaltung, das Transportmanagement und vor allem die ewig beschworene, notwendige interorganisatorische Vernetzung und das „Event Management“ entlang der Lieferkette durch intelligente, KI-basierte Software verbessern. In Spedition und Logistik-Operations finden sich an vielen Stellen eine aufwendige, kontinuierliche Überwachung und Kontrolle von Geschäftsprozessen, repetitives Ausfüllen von Dokumenten, Suchen und Darstellen von Informationen. Wenn laut Studien, beispielsweise von Gartner im vergangenen Jahr, 69 Prozent der Routinearbeit des Managements bis 2024 automatisiert werden könnten und brauchbare Tools bereits zur Verfügung stehen, erscheint es sinnvoll, die Möglichkeiten seitens der Entscheider in den Unternehmen trotz aller operativen Herausforderungen in diesen Zeiten zeitnah zu überprüfen und die Umsetzung pragmatisch anzugehen.
Sie bilden Führungskräfte für die Logistik aus. Welche Skills benötigen diese künftig vor dem Hintergrund des technologischen Wandels?
Es zählt weiterhin Logistik-Faktenwissen, aber auch Interdisziplinarität sowie Internationalität gepaart mit sozialen und interkulturellen Skills im Rahmen von Compliance und Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft. Im „Digitalisierungszeitalter“ sind nahezu alle Projekte zur Gestaltung von verbesserten oder neuen Geschäftsprozessen mit einem IT-Projekt verbunden. Zudem drängen dabei die aktuellen Technologien wie Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Data Mining und Virtual Reality in den Vordergrund. Führungskräfte müssen in mehrerer Hinsicht digital denken und arbeiten. Auf einem soliden Wissensfundament sollten Führungskräfte in der Lage sein, Potenziale und Grenzen der neuen Technologien richtig einzuschätzen und für neue Projekte umzusetzen. (ab/sr)