Logistikwissen zum Durchstarten

Freuen sich über den Start der HVO100-Transporte (von links): Hartwin Bisinger, Leitung Key Account Management bei Wahr, Andres Lohmann, Leiter Einkauf Logistik DE bei Saint-Gobain, und Marc Bohnert, Leitung Spedition und Vertrieb bei Schuon. (Foto: Alfred Schuon GmbH)
© Schuon Gruppe
Start in die HVO100-Ära
Von Sven Bennühr

E-Lkw lassen sich im nationalen oder auch internationalen Fernverkehr derzeit aufgrund der überschaubaren Reichweiten von im besten Fall 450 bis 500 Kilometern nur beschränkt einsetzen. Zudem erschwert die noch unzulänglich ausgebaute Ladeinfrastruktur den Umstieg auf die lokal emissionsfreien Fahrzeuge. Ähnlich sieht es bei den Brennstoffzellen-Trucks aus, die zwar größere Strecken bewältigen können, aber für die es kaum Tankstellen gibt.

Umstieg in großem Stil

Alternativen, die derzeit bei den Transport- und Fuhrunternehmen beliebt sind, sind Bio-LNG und – ganz neu – HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oil), also biogene Kraftstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Während aber Bio-LNG schon seit einiger Zeit bei diversen Unternehmen zum Einsatz kommt, mussten sich die Fuhrparkbetreiber bei HVO100 noch bis vor kurzem gedulden – zumindest in Deutschland, denn im europäischen Ausland wird der Bio-Kraftstoff bereits angeboten. Nun aber darf HVO100 offiziell an den Tankstellen angeboten werden, und die ersten Fuhrparks sind in großem Stil umgestiegen.    

So zum Beispiel die Schuon Gruppe. Seit der offiziellen Genehmigung des HVO-Verkaufs gemäß der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung (10. BImSchV) im April 2024 betankt der Logistikdienstleister aus Haiterbach alle Fahrzeuge, die für den Kunden Saint-Gobain Isover unterwegs sind, mit dem innovativen Kraftstoff. Eine Besonderheit dabei ist, dass sich Saint-Gobain ganz bewusst für die Öko-Alternative entschieden hat und die Mehrkosten pro verbrauchtem Liter Kraftstoff trägt. Letztere liegen am Markt zwischen 10 und 20 Cent.  

Quick Wins in Sachen Emissionen

Insgesamt befördert Schuon jährlich rund 7200 Komplettladungen für Saint-Gobain – überwiegend im nationalen Fernverkehr. Mit dem Umstieg auf das hydrierte Pflanzenöl reduziert sich der CO₂-Ausstoß der Fahrzeuge über die gesamte Prozesskette um rund 90 Prozent. Das heißt, in zwölf Monaten spart der Logistikdienstleister rund 1000 Tonnen CO₂ ein.

Dieser Umstieg bringt auch einen großen Vorteil für das Unternehmen mit sich: HVO100 kann direkt und ohne eine Anpassung des Fuhrparks oder der Tankinfrastruktur eingesetzt werden. Den Kraftstoff selber bezieht Schuon über die Tankanlagen des HVO100-Anbieters Fritz Wahr Energie im benachbarten Nagold sowie in Frankenthal. Der Bio-Kraftstoff wird unter anderem aus pflanzlichen Fetten und alten Speisefetten hergestellt und verbrennt zudem besser und sauberer als konventioneller Diesel.

Erfahrungen in Ungarn gesammelt

„Die Entscheidung der Bundesregierung, HVO100 in den freien Verkauf zu geben, war mehr als überfällig. Wir fahren seit Jahren in Ungarn mit diesem nachhaltigen Kraftstoff und haben nur positive Erfahrungen gemacht. Daher freuen wir uns, nun auch einen wichtigen Teil unserer Transporte in Deutschland mit HVO100 abzuwickeln“, sagt Marc Bohnert, Leitung Spedition und Vertrieb bei der Alfred Schuon GmbH.

Die beiden Partner Schuon und Saint-Gobain haben das Projekt innerhalb weniger Wochen aus der Taufe gehoben. Man habe klare Unternehmensziele zur CO₂-Reduzierung der Scope-3-Emissionen definiert, erklärt Andres Lohmann, Leiter Einkauf Logistik DE bei Saint-Gobain. HVO100 helfe kurzfristig dabei, diesen Zielen näherzukommen. „Wir sind überzeugt, dass diese Initiative nicht nur unserer Umweltbilanz zugutekommt, sondern auch ein positives Signal an unsere Stakeholder sendet, dass wir auch im Transportbereich aktiv an der Gestaltung einer grüneren Zukunft arbeiten“, sagt Lohmann. Zwar sei HVO100 derzeit teurer als fossiler Diesel, die Mehrkosten werden von Saint-Gobain getragen und nicht an die Kunden weitergegeben.

Trucksters geht auf die Langstrecke

Anders als der Haiterbacher Logistikdienstleister will das spanische Transportunternehmen Trucksters HVO100 vor allem für die Lkw im internationalen Fernverkehr nutzen. Dabei geht es konkret um die Strecke zwischen Nordspanien und den Beneluxländern sowie die Relation Nordspanien-Polen. Hier kommt dem Unternehmen zugute, dass der biogene Kraftstoff jetzt auch in Deutschland zugelassen und an den Tankstellen verfügbar ist.  

Keine Preiserhöhung

Auch für Gabor Balogh, dem Head of Growth und Mitgründer von Trucksters, ist die Reduzierung der Emissionen ein wichtiges Argument in den Verhandlungen mit den Auftraggebern. Diese würden vermehrt nach Möglichkeiten fragen, die Emissionen bei den Transporten zu senken. Bisher hätte das aber bedeutet, dass Trucksters die Preise anhebt. Mit dem Umstieg auf HVO100 sei das aber kein Thema mehr. „Die Zusatzkosten für uns sind unerheblich“, fasst Balogh zusammen.

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